Alte Texte, neue Website

Die Website ist neu, aber mindestens ein alter Text darf nicht fehlen. Die Nassbimserin!

Rape me!
Als Buchhändlerin nimmt man sich viele Bücher zur Brust. Ein Merkmal, das den historischen Roman auszeichnet, ist … die Schändung. Nirgendwo wird so exzessiv geschändet. Tatsächlich ist es ein Wunder, dass ich noch nie folgendes Kundengespräch geführt haben:
„Ich hätte gern einen historischen Roman.“
„Wofür interessieren Sie sich denn besonders?“
„Für eine schöne Schändung.“

Jedenfalls bin ich glücklich, nun verkünden zu können, dass ich es mit meinem Kollegen Lars geschafft haben, den Prototypen der Schändung aus historischen Romanen und Filmen quasi herauszudestillieren, den ich hier kurz, als Leitfaden für Autoren, Leser und Filmemacher, vorstellen möchte.

Wir sehen eine junge Frau. Sie trägt ein Kleid mit einem Mieder (WICHTIG!!!) und in der Armbeuge einen Korb, der mit rohen Eiern gefüllt ist. Offenbar kommt sie gerade aus dem Hühnerstall und schlendert in ihr Wohnhaus. Geben wir ihr einen schönen Namen. Amalia.

Im Gebüsch wartet er schon – der Bösewicht, Finsterling, kurz: der Schänder. Mit verzerrtem Gesicht reißt er seine Waffe (Messer, Dolch, Schwert, Sturmsense, egal) aus der Lederscheide, letztere wirft er dann hinter sich. Mit der Waffe in der Rechten und einer Fackel in der Linken stürmt er auf das Wohnhaus zu.

Das Wohnhaus. Die junge Frau, Amalia-Viviane, fährt herum, als die Tür aufgerissen wird. Mit immer noch verzerrtem Gesicht steht dort der Schänder, und da sie weiß, dass er mit ihr noch eine Rechnung offen hat, weiß sie auch, was nun folgt. Sie schreit auf und lässt den Korb fallen. Die rohen Eier zerschellen am Boden. Der Schänder läuft grunzend in den Raum, mit dem Arm, der die Waffe hält, wischt er all die zerbrechlichen Dinge vom Tisch, die dort noch stehen – Becher, Teller, Obstschalen, Vogelkäfige, das Meißner Geschirr, die Ming-Vase und das Fabergé-Ei.
Er wirft sodann, damit er die Hände frei hat, seine Waffe rechts zur Seite, die Fackel links zur Seite. Die Fackel liegt dort und flackert … Wir ahnen, wie es weitergeht.
Er packt Liliane-Marie und langt ihr erst einmal an den Busen. Das ist ganz wichtig, damit sie weiß, wo die Sache hingehen soll. Sie schreit auf und weicht zurück – stößt jedoch gegen den Tisch.
Die Fackel flackert … ein Vorhang, Teppich, Strohballen oder sonstiges liegt in Reichweite der gierigen Flammen …
Der Schänder packt nun Magda-Maria und drückt sie auf den Tisch. Dort verpasst er ihr eine Ohrfeige, allerdings mit der Rückhand – auch hier wieder die Hervorhebung: WICHTIG!
Er greift nach den Schnüren ihres Mieders und mit einem einzigen Ruck zerreißt er sie, das Kleid reißt bis zu den Knien auf und entblößt Antoinette auf empfindliche Weise.
Aus dem zerrissenen Mieder quellen nun Antoinetessens vor Angst bebende Brüste. Ein Anblick, der den Schänder laut auflachen lässt: „Muharharharhar!“
Die Maid bemerkt die eigene Nacktheit, und statt dem mittlerweile unbewaffneten Mann (der sie auch nicht festhält, er musste ja die Schnüre zerreißen) die Finger in die Augen, das Knie in die Weichteile oder einfach die Faust ins Gesicht zu schmettern, beschließt sie, ihre wogenden Brüste mit den Händen zu bedecken. Und zu schreien, natürlich. Es soll sie ja schließlich mal jemand retten kommen. Mittlerweile hat die Fackel den Strohballen, Vorhang, Teppich und vielleicht auch die Schwanzspitze der Katze in Brand gesetzt. Oh – oh, dies wird ein böses Ende nehmen! Die Flammen knistern und der Schänder bemerkt es nicht einmal. Auch Lieselotte hat nur Augen für ihre Brüste.
Nun macht sich der Schänder an die Arbeit, und wie weit diese fortschreitet, ist dem persönlichen Geschmack des Schreiberlings überlassen.
Ganz wichtig ist jedoch noch, dass Marianna den Schänder kurz aus dem Konzept bringt, indem sie ruft: „Nimm diesen Körper – doch niemals wirst du MICH besitzen!“
Früher oder später – während die Flammen bereits auf das Dach übergreifen, betritt der junge Hugo oder Otto oder Ulf das Haus. Er war schon lange in Viviane/Marianne/Ernestina verliebt und ist schockiert ob der versuchten oder bereits im Vollzug begriffenen Schändung.
Er greift sich also sein eigenes, kurz zuvor aus einem Stein gezogenes Zweihandschwert oder die weggeworfene Sturmsense des Schänders, um selbigen zu richten. Da Otto aber ein netter Kerl ist, tut er dies mit dem Knauf der Waffe, den er dem Schänder überzieht. Dieser vortrefflich geführte Streich lässt den Schänder bewusstlos darnieder sinken, Martin, Egon, Emil reicht der weinenden Maid, die sich nun wieder schamhaft bedeckt, seinen Mantel, damit sie sich hineinwickeln kann, und löscht derweil die Katze.
Das Dach kommt herunter, das Liebespaar Antoinette und Erik (er ist bei Wikingern aufgewachsen, fällt mir grade ein) verlässt gerade noch rechtzeitig das brennende Haus, in dem der Schänder umkommt, was wir ihm natürlich gönnen. Etwa fünf Minuten bis zwei Tage später vollziehen unsere beiden Helden einen gänzlich unschändlichen Akt der Nächstenliebe miteinander.

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Vielen Dank!

P.S.: Dieser Text kann Spuren von Krustentieren enthalten.

P.P.S.: Mit Dank an Frau D. für die Wortschöpfung „Nassbimserin“.