„Die 13 Gezeichneten“ ist das, was rauskommt, wenn man generell die Idee hat, „etwas mit Rebellen“ zu machen, das dann mit magischem Handwerk („So was mit Zauberzeichen!“) und dem Kampf um Selbstbestimmung in den Mixer wirft, mit einer Musketenladung Napoleonsbesatzung und der eigenen Leidenschaft fürs historische Fechten würzt. Das muss dann ein paar Jahre backen und kriegt dann noch zwei Fortsetzungen.
Das Rebellenpack … äh … die Protagonisten in „Die 13 Gezeichneten“ sind ein bunt gemischter Haufen: Das Straßenkind Jendra ist mehr aus Spaß an der Sache dabei (und weil ihr ein dunkles Geheimnis auf der Seele lastet). Kilianna, eine Art Handwerks-Suffragette aus privilegiertem Hause will erst die Besatzung abschaffen und danach gleiches Recht für alle in Sygna durchsetzen – auch für Frauen, auch für ärmere Familien, auch für Zuwanderer. Die Schmiedewitwe Elisabeda hat von ihrem Mann, den die Besatzer auf dem Gewissen haben, gegen das Gesetz und die gesellschaftlichen Widerstände Zeichen gelernt, aber nun ist ihr Mann tot und ihre beiden halbwüchsigen Söhne wurden zur Armee gepresst. Sie hat nichts mehr zu verlieren. Der eitle Fechter Dawyd verdingt seine Klinge eigentlich bei Gerichtskämpfen um kleinere Streitigkeiten, wird aber von den Rebellen gegen seinen Willen rekrutiert. Der unsichere Ismayl ist der einzige Dichter auf freiem Fuß, denn die Besatzer wissen sehr wohl, dass das Dichterhandwerk das mächtigste in der Stadt ist. Neigels größtes Geheimnis ist, dass er auf Männer steht – und in einer Gesellschaft, in der das unter Strafe verboten ist, droht dieses Geheimnis einen Keil zwischen ihn und die anderen zu treiben. Und schließlich Ignaz, einst begnadeter Schreiner und Enfant Terrible der Stadt Sygna. Seit der Commissaire der Geheimpolizei Lysandre Rufin ihm die rechte Hand irreparabel verkrüppelt hat, sind Terrorakte und Zerstörung sein Handwerk.
Warum ist das Thema Handwerk in dem Roman so wichtig? Aus zwei Gründen. Erstens: Christian und ich sind keine Handwerker, finden aber Handwerk in allen Ausprägungen sehr interessant. Für Das Schwarze Auge haben wir einiges zum Thema Handwerk geschrieben: Meine beiden Romane „Im Schatten der Esse“ und „Im Feuer der Esse“ haben das Schmieden und die Traditionen der tippelnden Handwerker zum Thema, da konnte ich mich also schon mal einarbeiten. Und wir haben das „Ingerimm-Vademecum“ geschrieben, eine Art „Gebetsbuch“ des aventurischen Handwerksgottes. Auch dafür haben wir Richtung mittelalterliche Zünfte, Handwerksbräuche etc. recherchiert. Und zweitens: Fantasy und Magie gehen meistens Hand in Hand. In den meisten Fantasybüchern gibt es in irgendeiner Form Magie, und das Beherrschen derselben macht wohl auch einen guten Teil des Reizes der Fantasy aus. Normalerweise stehen Handwerk und Magie aber eher im Gegensatz zu einander. Klassische Fantasy-Magier sind eher „Akademiker“, Handwerk ist so etwas Profanes, Zauberei etwas Gelehrtes. Was also, wenn nur Handwerker in der Lage wären, Magie zu wirken – mit ihren handwerklichen Tätigkeiten? Wenn jeder, der genug Talent und Leidenschaft mitbringt, in der Lage wäre, das zu lernen? Wenn aber das Wissen von privilegierten Familien und regelrechten Dynastien zurückgehalten würde, sodass eine Art „Oligarchie der Handwerker“ entstünde – die Handwerker also als mächtigste Gesellschaftsschicht? Ich hab vor kurzem noch mal darüber nachgedacht, wer von uns beiden eigentlich die Idee hatte: Ich glaube, das war Christian. (Applaus an Christian! :D)
Über Handwerk schreiben, ohne selbst Handwerker zu sein, ist natürlich etwas problematisch, zumal wir uns eigentlich immer auf die Fahnen schreiben, möglichst viel Ahnung von dem zu haben, was wir so schreiben. (Soll ja nicht #allesnurausgedacht sein! 😉 )

Eine Leidenschaft fürs Schmieden haben wir eigentlich schon lange – hier hat Christian mehr Ehrgeiz als ich und hat einen alten Amboss und eine vielleicht noch ältere Feldesse unter ein kleines Vordach in einer Gartenecke gepackt und schürt da ab und an mal das Schmiedefeuer. Wir haben auch schon mal ein paar Seminare bei Schmieden gemacht – wer Interesse an so was hat: Ich bin echt Fan davon, einfach mal ein Wochenende lang in Dinge reinzuschnuppern. Das ist weniger aufwändig, als man so denkt, man braucht selbst keine Unsummen in Material und Werkzeug zu stecken und kann jede Menge dumme Fragen stellen (und in meinem Fall lässt sich das Ganze auch noch von der Steuer absetzen!). Um gleich der ersten Frage vorzubeugen, die jeder stellt: Nein, wir können im Garten keine Schwerter schmieden. Die Feldesse ist schlicht zu klein. Der Gatte hat aber schon mal ein Falcata geschmiedet. Siehe Bild.

Deswegen ist Elisabeda vermutlich Schmiedin. Und ja, natürlich wird im Roman ein Schwert geschmiedet, wenn schon nicht im Garten.
Zusätzlich zu den „normalen Handwerken“, die in Sygna eben durch aufgeprägte oder eingewirkte Zeichen magisch verstärkt werden, gibt es aber auch zwei Handwerke in „Die 13 Gezeichneten“, die eher ungewöhnlich sind: Die Dichter und die Fechter.
Die Dichtkunst ist in Sygna ein Handwerk, und auch dabei wirkt man Zeichen, um Emotionen des Publikums zu verstärken, seine „Message“ rüberzubringen, sich besser an Dinge zu erinnern und so weiter und so fort. Da mussten wir kein Wochenendseminar belegen – nicht, dass wir uns für wahre Dichter halten würden, aber mit dem Wohl und Wehe eines Dichtergesellen sind wir doch eher vertraut als mit denen eines Glasbläsers.
Auch in Sygna stellt sich die Frage, ob die Feder mächtiger ist als das Schwert, denn die Wortzeichen der Dichter können schon so einiges anstellen, und nicht umsonst sind momentan alle Dichter und Wortzeichenwirker von den Besatzern hinter Schloss und Riegel gebracht. (Lysandre Rufin, der Geheimpolizist, findet genau diese Zeichen zudem wirklich, wirklich WIRKLICH interessant und würde sehr gern mehr darüber wissen … Praktisch, wenn man dann immer mal wieder die Dichter im Gefängnis besuchen kann.) Momentan würde ich mein Geld trotzdem eher auf die Feder wetten, denn das Schwert hat in Sygna an Macht eingebüßt: Zum einen standen die Besatzer mit Musketen und Kanonen vor den Stadtmauern – zum anderen haben die beiden Fechtergilden der Stadt schon vor längerer Zeit durch ungünstige Zufälle ihre Handwerkszeichen verloren.

Denn, ja, auch das Fechten ist in Sygna ein Handwerk (und hey, zufällig fechten Christian und ich seit sieben Jahren, wie praktisch! 😀 ). In der Stählernen und der Goldenen Fechtergilde lernt man nach den Fechtschriften alter Meister und unter den wachsamen Augen neuer Meister das Fechten mit dem Langen Schwert, also dem Anderthalbhänder. Damit werden Gerichtskämpfe ausgetragen, außerdem dienen die Fechter im Ernstfall in der Bürgerwehr Sygnas. Wieviel das genutzt hat, sieht man daran, dass die Stadt besetzt ist …
Das Fechten jedenfalls haben wir dem historischen Fechten der frühen Neuzeit entlehnt, den Traditionen von Talhoffer, Liechtenauer und Meyer, die wir heute ebenfalls aus den Fechtschriften dieser Zeit rekonstruieren können. Die Leute, die das machen, nennen diese Art des Sports HEMA (Historical European Martial Arts) und rekonstruieren heute eher nicht mehr primär nach Fechtschriften, denn es gibt wirklich sehr gute YouTube-Videos zum Thema. 😉 Christian und ich fechten mit unserem Freund Klaus, der sehr versiert darin ist, das Beste aus YouTube zu einem zusammenhängenden Training zusammenzustellen – das

muss man auch erst mal schaffen! Das tun wir, wie gesagt, jetzt seit sieben Jahren mit Langen Schwertern und moderner Schutzausrüstung, die wir meist gar nicht brauchen, weil wir uns nicht auf die Glocke hauen, sondern wie beim Kampfsporttraining feste Bewegungsabläufe und deren Gegenbewegungen trainieren. Okay, manchmal hauen wir uns auch auf die Glocke. Die Schwerter sind stumpf. Außerdem gut ausgewogen, nicht zu schwer, von einem Schmied aus Tschechien und ich kann auch als Frau ein Schwert heben, ja (um direkt mal die gängigsten Fragen zu beantworten). Das frühneuzeitliche Fechten ist jedenfalls ein unheimlich interessantes Thema. Finden wir. Und deswegen kommt der Fechter im Buch nun eben mit dem Langen Schwert zu einem Musketenduell (aber er würde gewinnen!).

Ja, und zuletzt noch ein paar Worte zu vorher Angedeutetem: „Die 13 Gezeichneten“ sind der Auftakt zu einer Trilogie. Nicht, weil man, wenn man „Fantasy“ sagt, auch „Trilogie“ sagen muss, sondern weil nach Band 1 die Geschichte nicht zu Ende erzählt ist und der Verlag erfreulicherweise nach einem zweiten Band fragte. Was wir für Band 2 im Sinn hatten, passte jedoch auch nicht in einen Band, und da der Verlag das glücklicherweise genauso sah, dürfen wir jetzt zwei Folgebände schreiben. Der zweite kommt ziemlich genau in einem Jahr heraus, nämlich am 29.3.2019 – und wir sind vor einer knappen Woche mit der Rohfassung fertiggeworden (und es gibt schon ein hammerschickes Cover \o/). Teil 3 folgt dann vermutlich im Jahresabstand. Alle drei werden „Die 13 Gezeichneten“ heißen, mit den Untertiteln „Die Verkehrte Stadt“ (Teil 2) und „Der Krumme Mann“ (Teil 3).
Ich bin jedenfalls froh, dass wir die Geschichte in der epischen Breite erzählen können. Vielleicht überlegen wir uns bis Band 3 dann noch ein paar ausgefallene Hobbys. 😉