Hier findet ihr weiter unten unsere Austrittserklärung aus dem Phantastik Autoren Netzwerk e.V., aber da ich die Ereignisse um die Austritte und Nicht-Eintritte von Kolleg*innen of color am 26.1.2022 in einem Twitter-Thread zusammengefasst habe, stelle ich diesen der Übersichtlichkeit halber voran – er bezieht sich auf einen kurzen Thread von James A. Sullivan.
Eigentlich wollte ich nichts zum PAN-Statement sagen, aber ich bin nicht betroffen und kann und sollte daher ein bisschen Arbeit leisten, außerdem war ich bei der im Statement angesprochenen Situation dabei, also werde ich das jetzt mal aufrollen.
Wie vermutlich die meisten wissen, kündigte PAN beim letzten regulär geplanten Branchentreffen (2020) einen Beitrag an, der „Rettet die Kunst vor den Moralaposteln“ hieß. Als Leute nachgefragt haben, was das soll, und zum Speaker recherchiert haben, hieß es, es hätte Panels zu linken Themen gegeben, und jetzt diskutieren wir dann halt mal darüber und freuen uns auf die spannende Diskussion. Mehrere Autor*innen of color haben angesprochen, dass es für sie unsicher ist, weil sie schon wissen, was dann passiert: Slurs werden diskutiert, während sie in der Unterzahl sind. Daraufhin sind Autor*innen of color ausgetreten, andere haben ihre Anträge zurückgezogen oder öffentlich gesagt, dass sie zwar überlegt hätten, sich um Aufnahme zu bewerben, es jetzt aber nicht mehr tun würden. Der Typ wurde ausgeladen, aber der Schaden war natürlich angerichtet, zumal sich auch an anderen Punkten Unmut angesammelt hatte. An dieser Stelle hätte was passieren müssen, man hätte die Autor*innen ansprechen müssen, anerkennen müssen, dass sie austreten wollen oder nicht eintreten wollen, fragen, was sie brauchen. Ist nicht passiert, passiert auch nach wie vor nicht. Als James am Ende dieses Jahres (2020) auch austrat, wir sprachen neulich schon drüber, bekam er die wutentbrannte Mail eines Vorstandsmitglieds „als Privatperson“, er solle ihr in Zukunft auf allen Veranstaltungen aus dem Weg gehen. Das macht natürlich zukünftige Phantastik-Veranstaltungen nicht mehr zu einer lockeren Situation, sondern hat was Bedrohliches. Das wiederum spielte mit hinein, als die MetropolCon vor kurzem ankündigte, das PAN-Branchentreffen auszurichten: Dann liegt der Schwerpunkt einer Con, die sich vielfältig aufstellen möchte, wieder auf den mittlerweile fast vollständig weißen PAN-Autor*innen – und Autor*innen of color haben Grund, sich dort unwohl zu fühlen, siehe oben. Daraufhin wurde noch mal angesprochen, warum denn PoC aus PAN ausgetreten oder gar nicht erst eingetreten sind. Unter anderem kam dabei zur Sprache, jemand hätte auf einem Branchentreffen James mit dem N-Wort beleidigt. James wurde vom Vorstand gefragt, und er hatte diese Situation (zum Glück) nicht erlebt. Ich schon, daher fasse ich es hier zusammen:
(CN N-Wort)
Auf dem Branchentreffen 2019 stand ich mit einigen befreundeten Kolleg*innen und zwei Kollegen, die ich nicht kannte und nach wie vor nicht zuordnen kann, vor dem Gebäude, weil wir zum abendlichen Pizzaessen aufbrechen wollten. James war mit uns die Treppe runtergegangen, aber plötzlich „weg“ (er hat seine Jacke geholt oder was weiß ich). Wir blieben also stehen, und ich sagte: „Huch, wo ist James denn hin?“ Und einer von den beiden, die ich nicht kenne, sagte: „In Wirklichkeit sind wir hier bei 10 kleine N****lein und verschwinden einer nach dem anderen!“ Ich weiß meinen Wortlaut nicht mehr genau, aber ich habe geantwortet, er soll das Wort nicht sagen, schon gar nicht in Gegenwart von James. Er war sichtlich erschreckt und sagte so was wie: „Oh nein, so hab ich das nicht gemeint, kennst du denn Agatha Christie nicht??“ Und ich sagte: „Ist mir egal, einfach nicht sagen.“ Dann kam James aus dem Gebäude und der Typ und sein Kumpel ergriffen die Flucht, sicherlich auch, weil er dachte, ich stelle ihn damit jetzt „bloß“ oder so. Jedenfalls habe ich es James nicht erzählt, weil mir das echt unangenehm war und ich ihm nicht den Abend verderben wollte. Tatsächlich hab ich es James nie erzählt, bis das letzten Monat noch mal aufkam und er mich danach gefragt hat. Ich habe auch dem PAN-Vorstand noch mal eine Mail geschrieben und den Vorfall geschildert, weil ich dachte, das hilft vielleicht bei der Aufarbeitung der letzten zwei Jahre. In der Mail habe ich auch gesagt, dass ich das nicht auf PAN als Verein bezogen hab. Dass daraus jetzt „Die meisten Zeug*innen haben die Situation als eine private eingeordnet und im Anschluss daran als geklärt angesehen“ gemacht wurde, finde ich ziemlich wild, genauso wie das sich selbst von „Rassismusvorwürfen“ freisprechen. Wie gesagt, das war nie der Grund für die Austritte. Dass PAN sich als unsafer Ort für Autor*innen of color gezeigt hat und dass Veranstaltungen, die eng mit PAN verwoben sind, daher ebenfalls als unsafe Orte wahrgenommen werden, steht halt nach wie vor im Raum und die Arbeit daran findet nicht statt. Wie kann der Verein da wieder Vertrauen aufbauen? Keine Ahnung. Auf jeden Fall nicht mit diesem Statement: phantastik-autoren.net/news/2022-01-2
P.S. Dieser (Twitter-)Thread ist lang genug, natürlich gäbe es weit mehr zu der Situation mit dem weißen Autor und der Selbstverständlichkeit des N-Wort-Sagens as well as zum (Online-)Bullyverhalten anderer weißer PAN-Autor*innen zu sagen.
Wir sind am 7.2.2020 aus dem Phantastik Autoren Netzwerk e.V. ausgetreten. Mit diesem Blogartikel machen wir die Kündigung öffentlich. Der Vorstand ist darüber informiert, dass wir das tun. Wir möchten vermeiden, dass es zu Missverständnissen zu unserem Austritt kommt. Indem wir die Gründe öffentlich machen, möchten wir, dass zumindest zu einem gewissen Grad transparent ist, was dazu geführt hat. Es sind in den letzten anderthalb Jahren weitere Dinge vorgefallen, die wir allerdings aus Respekt vor den beteiligten Kolleg*innen hier nicht breittreten möchten.
Sehr geehrter PAN-Vorstand,
wir, Judith und Christian Vogt, bedauern, euch mitteilen zu müssen, dass wir unsere Mitgliedschaft bei PAN e.V. zum nächstmöglichen Zeitpunkt beenden. Diese Entscheidung ist uns – auch, weil wir Gründungsmitglieder sind – nicht leichtgefallen.
Wir möchten gern etwas zu unseren Gründen sagen.
Wir sind nicht einverstanden mit seit Jahren immer wieder vorkommendem Tone Policing durch Mitglieder des Vorstands. Diese gehen immer wieder gegen Kritik und zivil geführte Diskussionen an und greifen maßregelnd ein. Unter anderem in einer Diskussion mit den Wikipedia-Torwächtern, sogar auf der Wikipedia selbst. Immer wieder geht es darum, als Verein keine Position zu ergreifen, dabei werden aber oft genug die Positionen, die der Vorstand unserer Meinung nach eigentlich vertreten sollte, effektiv zum Schweigen gebracht.
Als in den vergangenen Tagen der Programmpunkt „Rettet die Kunst vor den Moralaposteln“ fürs Branchentreffen angesprochen wurde, hieß es, man wolle eine unbequeme Auseinandersetzung herbeiführen, außerhalb der „Filter Bubble, in der wir uns nur gegenseitig auf die Schultern klopfen“. Offenbar waren der Konflikt und die Disharmonie in diesem Fall einkalkuliert. Aber als Kritik daran – zwar von vielen Seiten und deutlich, aber durchweg sachlich und in dem Bemühen, euch die strukturelle Problematik und das von uns empfundene Ungleichgewicht nahezubringen – geäußert wurde, wurde das als Gewalt und sogar als „Shitstorm“ empfunden. Wie können wir euch glauben, dass ihr ernsthaft interessiert an einer Auseinandersetzung mit dem Thema seid, wenn ihr die erste Gegenwehr als gewaltvoll, unsachlich und aggressiv framed?
Wir haben den ersten Kontaktversuch zu diesem Programmpunkt per Mail unternommen, darauf ist bis jetzt keine Antwort erfolgt. Wir haben feststellen müssen, dass insbesondere marginalisierte Autor*innen auf den Social Media davon sprachen, ihre Mitgliedschaftsanträge zurückzuziehen oder Mitgliedschaften zu kündigen. Wir finden, dass dem Verein besonders daran gelegen sein muss, diese Stimmen zu erhalten und auf diese Sorgen mit Verständnis und einem Problembewusstsein zu reagieren. Wir finden es fatal, dass Autor*innen Zweifel daran haben, ob sie bei PAN willkommen oder sicher sind.
Wir glauben, dass die Phantastik sich nicht mehr die Frage stellen muss, ob marginalisierte Positionen erwünscht sind oder schon zu viel fordern, ob Sprache und Fiktion politisch sind oder getrennt von den Gedanken ihrer Schöpfer*innen zu sehen sind. Wir empfinden eure Auseinandersetzung mit der von vielen, vielen PAN-Mitgliedern geäußerten Kritik als an der Sache vorbei. Vorstandsmitglieder haben die grundsätzliche Kritik stets auf einzelne Personen bezogen und damit von der eigentlichen Diskussion abgelenkt. Wir freuen uns, dass ihr den Programmpunkt noch einmal überdacht habt und die Zeit anders nutzen wollt. Wir wünschen euch und allen Mitgliedern ein gelungenes Branchentreffen. Doch der überwiegende Teil eures Statements war erneut eine Ermahnung an die Kritiker*innen dieses Programmpunkts. Ihr schreibt selbst, dass ihr polarisieren wolltet und habt nun genau damit ein Problem.
Ihr habt uns nach wie vor keine zufriedenstellende Antwort auf die Frage nach dem Grund für die Einladung geliefert. PAN muss nicht jeder reaktionären Meinung eine Bühne geben, besonders nicht gegen den Willen einer signifikanten, wenn nicht überwiegenden Zahl der Mitglieder. Aber egal, wie wir kritisieren, letztlich werden wir dem Vorwurf der kunstzerstörenden „Moralapostel“ nicht entkommen. Von diesem Zirkelschluss wollen wir weder monetär noch durch ideelle Unterstützung weiterhin Teil sein. Man darf wirklich alles noch sagen – aber wir können uns entscheiden, unsere Zeit, unser Geld und unsere Aufmerksamkeit etwas anderem zu widmen.
Reaktionäre und konservative Lager haben überall Raum, werden überall toleriert – in Talkshows, in Zeitungen, in der Politik, in der Wirtschaft, in der Kultur der Gegenwartsliteratur. Wir wünschen uns, dass Menschen, die sich in Deutschland momentan zu fürchten beginnen, bei euch sicher fühlen können. Wir schließen mit dem Wunsch oder dem Vorschlag, dass ihr an der Stelle des abgesagten Vortrags marginalisierten Stimmen Raum gebt. Dass bei meinem (Judiths) Vortrag beim Branchentreffen 2019 viele Autor*innen Wünsche zu Vorträgen mit Themen wie Own Voices, Queerness, Sensitivity Reading hatten, habt ihr doch sicher mitbekommen, und ich habe es auch weitergegeben. Eine Vertiefung von Themen, auf die wir uns längst als Konsens geeinigt haben, hätten wir schön gefunden. In der aktuellen politischen Situation wünschen wir uns von einem Verband der Phantast*innen eine klare Positionierung, aber halbherzig ist das eben nicht möglich. Wir wünschen euch alles Gute.
Bitte teilt uns mit, wann unsere Mitgliedschaften beendet sind.
Beste Grüße aus Aachen
Judith und Christian